Im Jahr 1862 gründete eine Gruppe junger Burschen aus dem Obermarkt ihren eigenen Geselligkeitsverein mit dem Namen Concordia. Die Entstehung des lindischen Burschenverein Ehrenkranz wurde möglicherweise zum Teil durch eine spaltende Auseinandersetzung der beiden Markt- und Lindenbewohner angestoßen.
Die älteren Bewohner erinnern sich an eine gewisse "Grenze", die den Ort durchzog – bildlich gesprochen die Treppe Schied und der Reitweg, die als natürliche Trennung zwischen den beiden Ortsteilen fungierten. Diese Grenze war nicht nur geographisch, sondern auch im sozialen Miteinander spürbar. Ein gewisses Maß an Neid und Missgunst war damals offenbar nicht unüblich.
In dem bei der Neugründung 1947 angelegten Vereinsbuch sind folgende Sätze zu lesen: „Auf Anordnung –(Zensur)—aus Bayreuth wurde der Verein 1939 aufgelöst. So wurde die Kasse beschlagnahmt, sämtliche Unterlagen sind verloren gegangen.“
Die folgenden Recherchen stützen sich also auf mündliche Überlieferungen und vor allem auf Aussagen von noch lebenden Mitgliedern vor dem Zweiten Weltkrieg. Um die Gründung des Vereins im Jahre 1868 ranken sich viele Legenden. So wird z. B. immer wieder gerne die Geschichte erzählt, einige Burschen hätten sich vom bereits 1862 gegründeten BV „Concordia“ abgesetzt und in der Lind´n einen Konkurrenzverein aufgemacht. Diesem Mythos schenkt die Redaktion aber nur wenig Glauben. Tatsache ist, dass zur damaligen Zeit Vereinsgründungen anscheinend eine regelrechte Modeerscheinung waren.
Ob nun unser Verein aus einer Laune heraus oder aus irgendwelchen anderen Gründen entstanden ist, entzieht sich unserer Kenntnis. Der Sage nach konnten sich die Gründer nicht entscheiden, welchem bestehenden Verein sie beitreten sollen (es „gehörte“ sich nämlich damals, sich irgendeiner Gemeinschaft anzuschließen) und so gründeten sie in edler Uneigennützigkeit den Burschenverein „Ehrenkranz“ mit seinem Vereinssitz in der Lind´n, mit dem Ziel alte Tänze und Bräuche weiterzuführen und in guter Kameradschaft Burschenbälle abzuhalten.
Über die folgenden 50 Jahre ist uns leider fast nichts bekannt, da wie bereits erwähnt alle Unterlagen in den Kriegswirren verlorengingen. Bemerkenswerterweise hat sich aber eine Anekdote bis heute erhalten:
„Es begab sich noch vor der Jahrhundertwende, als noch keine Bahnlinie nach Weidenberg führte und die Musikanten folglich aus Bayreuth zum Burschenball laufen mussten. Ein Berschla war damals angeblich von seinem Ballmädchen sitzengelassen worden und gönnte in seinem Zorn den anderen die Freude am Tanzen nicht. So fing er die Kapelle bei der alten Rollwenzelei ab und erklärte, er habe mitzuteilen, dass der Ball leider ausfallen müsse. Als Entschädigung solle er ihnen wenigstens ein paar Liter Bier spendieren. In Weidenberg warteten die Burschen und Mädchen auf die Musik und sorgten sich schon sehr um die Durchführung des Balls. Glücklicherweise kamen zufällig drei Bettelmusikanten vorbei, die man kurzerhand verpflichtete und die dann am Ball aufspielten. Bei dem Burschen, der das Ganze angezettelt hatte, bedankte man sich mit einer gehörigen Tracht Prügel.“
Die ersten verlässlichen Hinweise über das Vereinsleben führen uns dann bereits in die frühen zwanziger Jahre. Der Verein bestand damals aus ca. 30 Burschen, die auch alle aktiv waren.
Stammsitz war der Gasthof „Zur Post“, den die Familie Dress bewirtschaftete. Dort trafen sich jeden Sonntag alle Mitglieder zum sogenannten Auflegen, das heißt jeder musste einen Beitrag von 50 Pfenning entrichten. Von dem Geld wurden hauptsächlich die Burschenbälle und sonstige Veranstaltungen finanziert. Gerade zur Zeit der großen Inflation ergaben sich da für den Verein ernsthafte Probleme. Man erkannte die Lage allerdings noch rechtzeitig und so wurden die Geldbeträge jeden Sonntag in der alten Kunstmühle am Schnoffnhüchala sofort in Weizen umgetauscht, der ja nicht an Wert verlor. Kurz vor dem Burschenball wurde das gesamte Getreide dann wieder verkauft und was man vorher für wenige Reichsmark bekommen hatte, wurde jetzt in Milliardenbeträgen umgesetzt, so weit war die Geldentwertung fortgeschritten.
Die alte Rivalität mit den Märktischen gab es auch schon. Damals war es noch so, dass die Zugehörigkeit zum jeweiligen Burschenverein streng nach Wohnsitz getrennt war, also wer im Obermarkt wohnte ging zu den Concorden, wer in der Lind´n wohnte eben zu den Lindischen. Desgleichen kam es aber doch ab und zu vor, dass märktische Mädchen von lindischen Burschen zum Ball gefragt wurden und umgekehrt, was natürlich nicht so einfach hingenommen werden konnte. So begab es sich oftmals, dass ein Bursche sich auf dem Nachhauseweg von seinem Ballmädchen einige „Watschn“ einhandelte oder den feuchten Pfad durch die Steinach wählen musste, um den Häschern zu entkommen. Hier anzumerken wäre noch, dass es zwar von Zeit zu Zeit solche kleineren Scharmützel gab und jeder Verein darauf achtete, nicht aufgestochen zu werden, doch lief dies alles sehr harmlos und ohne Brutalität ab, von offener Feindschaft war gar keine Rede. War dann der Ball gekommen, begab man sich am Nachmittag zu seinem Mädchen zum Kaffeetrinken. Um 15:00 Uhr war der große Einmarsch von der Pimmlerwirtschaft in den Postsaal, vorab die Musik nachfolgend die ca. 15-20 Paare. Es folgten die Pflichttänze Polonaise, Walzer und Polka. Danach begann die allgemeine Tanzveranstaltung und viele traditionsreiche Melodien wie „Die Brieh“, „Der Schuster und sei Buh“, „Die Gemütlichkeit“ und auch ein Marschwalzer trieben die Stimmung auf den Höhepunkt. Am Abend wurde dann auch zum Ehrenwalzer aufgefordert, bei dem das Ballmädchen mit dem Vater des Burschen und der Bursche mit der Ballmutter tanzte.
Die Francaise wurde nur um Mitternacht aufgeführt. Nach der Francaise lud man seine Ballzens zu einem Sauerbraten hinunter in die Gastwirtschaft ein. Es war damals Pflicht eines jeden Burschen entweder selbst mit seinem Ballmädel zu tanzen oder einen Ersatz zu finden, wenn man jemand anderen auffordern wollte. Darauf musste auch der Vorstand achten, der gegeben falls eine Rüge erteilte. Natürlich war gerade zu dieser Zeit ein Berschlasball immer eine ganz besondere Attraktion, gab es doch an weiteren Veranstaltungen nur noch die Fußballspiele des SV Weidenberg. Der Postsaal war deshalb immer sehr gut gefüllt und der Tanz verlief bei bester Stimmung bis in die frühen Morgenstunden. Am Faschingsball erschienen die Ballpaare immer maskiert und Fastnachtsdienstags erwartete die Bevölkerung schon gespannt die Aufführung der Altweibermühle (doch hierzu mehr im Kapitel „Die Altweibermühle“). In der Nacht vor dem Pfingstball war das Birkenstecken angesagt. Wie auch in der heutigen Zeit platzierte der Ballbursche hierbei eine Birke im Zimmer des Mädchens. Diese wurde sehr ehrenvoll behandelt, stellte sie doch ein Zeichen der Verehrung, die der Bursche der Zens entgegenbrachte (manches Mal steckte da natürlich auch eine kleine Liebeserklärung dahinter) dar. Ein ähnlicher Brauch, den es allerdings nicht mehr gibt, war das Peitschen, das immer am 6. Januar (Heilige drei Könige) stattfand. Ebenfalls in der Nacht gingen die Berschla, bewaffnet mit einer selbstgebastelten Rute von Ballmädchen zu Ballmädchen und brachten dort ihre Wünsche und Verehrungen dar. Dabei streichelte man mit der Rute die Hände des Mädchens und sagte ein Sprüchlein auf:
Sowohl beim Birkenstecken als auch beim Peitschen achteten die Balleltern streng darauf, dass nicht etwa ein Berschla im Schlafzimmer seines Schatzes zurückblieb und so wurde oftmals beim Hinein- und Herausgehen durchgezählt. Das bei der letzten Zens manchmal doch nur noch halb so viel waren, wie bei der ersten, lag daran, dass es doch etlichen Burschen gelang, sich mit List und Tücke ins Gemach der Geliebten zurückzuschleichen. Etwa eine Woche nach dem Peitschen trafen sich die Burschen und die Mädchen und tranken in geselliger Runde das sogenannte Peitsch Bier, das von den Ballzensen spendiert wurde. Eine Generalversammlung gab es damals noch nicht. Vorstand war normalerweise eines der ältesten Berschla, welches den Verein führte, bis es aus privaten oder beruflichen Gründen dazu nicht mehr imstande war. Beim Auflegen wurde dann eine neue Vorstandschaft bestehend aus:
1945: Der 2. Weltkrieg war zu Ende und die deutschen Männer kehrten zurück in ihre Heimatorte. Auch von den Burschen, die vor dem Krieg dem Burschenverein „Ehrenkranz“ angehörten, kamen einige wieder nach Hause. Als man durch die Reihen blickte, waren diese stark gelichtet, viele damalige Mitglieder waren gefallen, Da auch viele jüngere Burschen Interesse an einer Neugründung eines Burschenvereins zeigten, traf man sich wieder regelmäßig und auf einer Versammlung wurde der Verein neu gegründet. Als erster Nachkriegsvorstand wurde Hans Gebhardt gewählt, der zugleich ältestes Mitglied war und bereits Bälle vor dem Krieg mitgemacht hatte. Da alle Unterlagen verloren waren, wurde zunächst wieder ein Vereinsbuch angelegt und gleichzeitig beschlossen, die alten Bräuche und Sitten – die den älteren Mitgliedern ja noch bekannt waren – wieder aufleben lassen. Auszug aus dem Vereinsbuch: „Weidenberg, den 18.Februar 1947 Vorwort Dieses Buch ist Eigentum des Vereins. Der Verein ist eine rein unpolitische Angelegenheit. Er besteht seit 1868 und dient dazu die alten Sitten und Gebräuche zu erhalten und zu fördern. Alle vom Verein durchlebten Ereignisse sollen in diesem Buch niedergeschrieben werden, um den späteren Mitgliedern immer (seit der Neugründung) in das gesellschaftliche Leben des Vereins zu geben.“ Selbstverständlich legte man großen Wert darauf, dass der Verein demokratisch aufgebaut war. Die erste Tanzveranstaltung ließ dann auch nicht lange auf sich warten. Am 04.03.1946 fand ein Eröffungstanz im Gasthof „Zur Post“ statt. Wegen der amerikanischen Besatzungsmacht musste dieser um 22:00 Uhr beendet werden. Der geplante Pfingstball musste wegen Belegung des Saals mit Kriegsflüchtlingen ausfallen. Nach einem gut gelungenem Kirmesball 1946 konnte im Jahre 1947 wieder ein Faschingsball abgehalten werden. In einer Zeit der großen Not mussten die Burschen und Ballmädchen viel improvisieren, um überhaupt einen Ball durchführen zu können. Ob nun aus alten Stoffresten Ballkleider genäht wurden oder Kriegsuniformen zu Anzügen umgestaltet wurden, jeder mühte sich am Ball entsprechend gekleidet zu sein. Obwohl auch zur Fastnacht die Sperrstunde noch Bestand hatte, beschloss man diese zu missachten und den Ball erst in den frühen Morgenstunden ausklingen zu lassen. Vom damaligen Weidenberger Bürgermeister wurde den Berschlan 100 Liter Bier versprochen, wenn der Ball erfolgreich und ohne Schwierigkeiten über die Bühne gehen würde. Pünktlich um 15:00 Uhr marschierten 20 Paare, voran die Kapelle „Wagner“ aus Nemmersdorf, vom Pimmlerhaus in den Postsaal. Der Saal war vom Anfang bis zum Ende brechend voll, gab es doch in Weidenberg für die Bevölkerung keine weitere Abwechslung. So schlecht die Zeit auch war, jedem Ballpaar gelang es, am Abend eine Verkleidung aufzutreiben. So verlief der Abend bei bester Stimmung ohne Zwischenfälle bis 03:00 Uhr morgens. Doch wer gedacht hätte, die Burschen würden sich jetzt ausruhen, der hätte sich schwer getäuscht. Aus allem verfügbaren Material hatte man in den Wochen vor Fastnacht die Altweibermühle wieder aufgebaut und zog am Faschingsdienstag von allen Weidenbergern bejubelt durch den Ort. Durch den guten Erfolg konnten auch alle Unkosten gedeckt werden und die Burschen und Ballmädchen konnten sich ihre wohlverdienten 100 Liter Starkbier schmecken lassen. Zum Pfingstball 1947 wurde erstmals nach dem Kriege die Francaise wieder aufgeführt. Hierzu wurde extra aus Wunsiedel ein Tanzlehrer engagiert, da doch vieles in Vergessenheit geraten war. Die Aufführung dieser alten Tanzweise wurde sehr bestaunt.
Im Frühjahr 1948 fand ein Gemeinschaftstanz der Burschenvereine „Concordia“ und „Ehrenkranz“ im Gasthof Vogel statt. Es sollte gezeigt werden, dass zwischen den beiden Vereinen eine Zusammenarbeit möglich ist, keine Feindschaft herrscht, aber jeder für sich bleiben solle. Diese Gemeinschaftsveranstaltung wurde allerding dadurch getrübt, dass der BV „Ehrenkranz“ im Nachhinein nicht bereit war die Hälfte der Kosten zu tragen. Die folgenden Jahre verliefen rege und erfolgreich, auf Hans Gebhardt folgte Christian Heckel und sodann Heinrich Frank als Vorstand. Angesichts finanzieller Schwierigkeiten sah sich die Vorstandschaft gezwungen ein öffentliches Tanzvergnügen abzuhalten. Die Einnahmen sollten dazu dienen, den anstehenden Pfingstball 1949 zu ermöglichen.
Auszug aus dem Vereinsbuch: „Der Erfolg mit einem Gewinn von 16,00 DM war kein beachtenswerter, aber der Mühe wert.“ Weniger aus Geldmangel als wegen mangelnder Teilnahme, musste dieser Pfingstball jedoch 8 Tage vor seinem Stattfinden abgesagt werden. Pfingsten 1950 wurde vom damaligen Vorstand Georg Rieß das Birkenstecken wieder eingeführt, das laut Vereinsbuch am Samstag, den 27.05. von den Burschen geschlossen und erfolgreich durchgeführt wurde. In den Jahren 1952 und 1953 zeichnete sich eine leichte finanzielle Krise des Vereins ab, da die Vereinskasse vom 1. Kassier veruntreut wurde. Ferner deutete sich ein Mitgliederrückgang an, der sich aber erst zum Ende der 50er Jahre entscheidend bemerkbar machen sollte. Zwar konnte der Verein immer noch erfolgreich Burschenbälle abhalten und versuchte durch Ausflüge und sonstige Tanzveranstaltungen Mitglieder zu gewinnen, doch bereits Pfingsten 1955 fan der Ball mit nur 6 Paaren statt. In der folgenden Zeit gab es Höhen (Kirchweihdienstag 1955, Fasching 1956) und Tiefen. Es ist jedoch nicht zu leugnen, dass das Interesse am Verein sowohl in der Öffentlichkeit als auch bei den einzelnen Mitgliedern nachgelassen hatte. Aufgrund der geburtenschwachen Jahrgänge während des Krieges, größerer Freizeitangebote und er zunehmenden Motorisierung verringerte sich die Mitgliederzahl zusehends. Es ist auch anzunehmen, dass der auf Traditionen bedachte Verein durchsteigendes Fortschrittsdenken etwas aus der Mode geraten war. Dies alles führte zur großen Krise im Verein. Am 29.12.1959 trafen sich die Mitglieder zu einer Generalversammlung. Nach Berichten des 1. Vorsitzenden Dieter Piwernetz waren die vorangegangenen Burschenbälle zwar nicht katastrophal verlaufen, aber alles andere als ermutigend. Der Verein zählte noch 15 Mitglieder, der Kassenbestand belief sich auf insgesamt 61,15 DM. Nach diesem Bericht wurde der Vorstand Entlastung erteilt und der Rücktritt zur Kenntnis genommen.
Auszug aus dem Vereinsbuch: „In der anschließenden heftigen Debatte über das Vereinsfortbestehen wurde felgender Entschluss gefasst: Bis auf weiteres werden keine Burschenbälle abgehalten. Es soll aber versucht werden, die Mitglieder durch Zusammenkünfte an das Fortbestehen des Vereins erinnern. Der Kassastand ruht und ist als Grundstock für die spätere Abhaltung eines eventuellen Burschenballs bestimmt. Bei Auflösung des Vereins wird der Kassastand an vorstehende Mitglieder verteilt.“ Als neuer Vorstand nahm Rainer Dumbach nach langem Hin und Her die Wahl zum 1. Vorstand an. 1. Kassier wurde Dieter Piwernetz und 1. Schriftführer Wolfgang Lochmüller, die jeweiligen Ersatzleute wurden nicht gewählt, weil infolge der Stilllegung keine wesentliche Arbeit zu erwarten war.
Ein Jahr lang Bestand der Verein nur noch auf dem Papier, doch die verbleibenden Mitglieder waren nicht untätig. Ständig bemühte man sich neue Mitglieder zu werben und den Verein nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Auch in der Öffentlichkeit war ein Umdenken erfolgt, vermisste man die Burschenbälle doch sehr. Ein Erfolg zeichnete sich im Winter 1960/61 ab, als anlässlich einer Versammlung 10 Burschen ihren Beitritt zum Verein erklärten. Gelichzeitig wurde beschlossen Fasching 1961 wieder einen Burschenball abzuhalten und am Faschingsdienstag mit einem Faschingsumzug finanzielle Erfolge und Werbung für den Verein zu erzielen. Nach Eineinhalbjähriger Pause trafen sich dann neun Paare traditionsgemäß im Gasthaus Pimmler und marschierten um 15:00 Uhr begleitet von der Kapelle „Singer“ in den Postsaal ein. Der Ball war ein großer Erfolg und endete erst früh am Morgen. Für viele blieb nur wenig Zeit zum Schlafen, da bereits um 08:00 Uhr der Faschingsumzug beginnen sollte.
Zu dieser Stunde versammelten sich auch die ersten Neugierigen, um diese Fahrt mitzuerleben. Um 08:00 Uhr, ohne jegliche Verspätung, konnte der Stationsvorsteher von „Kilchertingen“ den Schalter schließen und das Zeichen zur Abfahrt geben. Den weiteren Fahrkartenverkauf übernahm nun Kondukteur Herrmann. Ludwig wurde Fahrdienstleiter. Das beste Geschäft hatten zu dieser Zeit die Kofferträger (sprich Dienstmänner) Michel und Günther gemacht. Für die Unterhaltung während der Fahrt sorgte unsere Hauskapelle Gerhard, Lothar und Franz als Geiger. Franz gich, bis dass der Bogen erschloff. Fahrplanmäßig erreichten wir auf unserer Fahr die Stationen „Krötenzingen“, „Kolbingen“, „Gerchingen“, und „Kretschmaringen“. Unsere Fahrgäste und das Begleitpersonal einschließlich Reiseleiter waren sehr guter Stimmung. Auch trugen die Einwohner der erreichten Stationen wesentlich dazu bei. Ab und Zu wechselte alles von den „Schienen“ auf die Straße über und tanzte. Als wir in die „Märktischen Gebiete“ kamen, wurden wir derart begeistert empfangen. Hier schlossen sich uns noch weitere Fahrgäste unserer Reisegesellschaft an. Manche kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus und taten dies durch einen offenen Mund kund. Bei Einbruch der Dunkelheit hatten wir unseren Heimatbahnhof wieder erreicht und waren beeindruckt von den „Sehenswürdigkeiten“ und „Schönheiten“ dieser Fahrt. Unsere Musikanten spielten noch zum letzten Mal „Auf der schwäb`schen Eisenbahn…“. Auch an unserem Geisbock am Ende des Weges war nicht mehr viel Lebendes.
So gestärkt startete der Verein in erfolgreichere Jahrzehnte. Anscheinend bemühte man sich auch durch etliche Neuerungen (Maibaum aufstellen, Kerwaliedla singen) das Vereinsleben für viele interessanter zu machen. Nebenbei veranstaltete man etliche Fußballspiele, deren Erlös man zumeist einem guten Zweck zukommen ließ. Zar hatte man in den nächsten 15 Jahren die Sorge um ein Fortbestehen abgelegt, das Problem der geringen Mitgliederzahl hatte aber weiter bestand. Erst Ende der 70er Jahre wurde dies durch den Eintritt vieler junger Paare erheblich verbessert. Die Zahl der Paare an Burschenbällen stieg innerhalb kürzester Zeit von 6 auf 16 an. Diese erfreuliche Begebenheit hielt nicht an, sondern setzte sich auch unermüdlich fort und 1983 schreibt Schriftführer Norbert Fiebig ins Vereinsbuch:
„Nebenbei:
Unser Burschenverein erfreut sich zur Zeit einer Außerordentlichen Beliebtheit. Nicht nur, dass wir keine Nachwuchssorgen haben und zum Ball mit mindestens 16 Paaren einlaufen, auch die Ballproben werden gern besucht: zur Ballprobe am 23.01. zählten wir 45 Mann.“
Neben diesen allgemeinen Veranstaltungen treffen sich die Burschen und Zensen noch jedes Jahr zu einer Weihnachtsfeier, halten einen Vereinsausflug ab und treffen sich auch sonst zu Wanderungen und zu gemeinsamen Unternehmungen.
Früh am Morgen nach dem Ball holte man die Altweibermühle aus der Werkstatt und spannte die Zugmaschine (früher natürlich Pferde) an. Sodann begann der Umzug durch Weidenberg. Die anstrengendste Arbeit hatten wahrscheinlich die „Zuträger“, die auf Schubkarren die „Opfer“ herankarrten. Diese wurden dann über die Leiter nach oben Richtung Trichter transportiert, wo sie mehrere grobschlächtige Müllerburschen in Empfang nahmen und sie kopfüber in den überdimensionalen Trichter steckten. Unter viel Geratter und dem Herausfliegen von Sägespänen zog man das „alte Weib“ dann an den Beinen herauf und wieder herunter. Bei der ersten Aufführung waren einige der Burschen als junge Mädel und andere als alte Weiber verkleidet. Ließen die Müllerburschen das gemahlene Weib in den Bauch der Mühle gleiten, sprang sogleich eine „hübsche Jungfrau“ unten aus dem Wagen heraus, die Rooß0kur war erfolgreich! Natürlich versuchte man auch richtige Frauen und vor allem Zensen zu erwischen, die aber meist schnell das Weite suchten, sobald die Zuträger ankamen. Während der ganzen Fahrt war der Wagen von einer stauenden Menge umgeben und vom Dach der Mühle plärrte der Müllermeister die nun schon berühmten Worte in sein riesiges Sprachrohr:
Zwar änderte sich mit den Jahren die Aufführungsweise ein wenig, doch ist die Altweibermühle auch in heutiger Zeit noch eine ganz besondere Attraktion. Wir dürfen nun im Besitz der Altweibermühle sein, denn die erste war Ende der zwanziger Jahre mitsamt der Werkstatt nach einem Blitzschlag abgebrannt und die zweite im Krieg zerstört worden. Von 1947 bis 1954 trat die dritte Mühle ihren Dienst an. 1963 entstand dann die heutige Altweibermühle, die auch zum 125jährigen Jubiläum wieder eingesetzt wurde, um das Durchschnittsalter der weiblichen Bevölkerung herabzusetzen.
Bei unseren Interviews gaben alle Befragten einige Anekdoten aus ihrer Berschlazeit zum Besten. Folgende Geschichte spielte sich noch vor dem Krieg ab, wir schalten uns direkt in die Erzählung ein: „Noja, also des wor assu gwesn, mir worn do halt im Wertshaus ghuckt! Za vert wor ma gwesn und mwia ma nocha ham geh wollten, hot da Georg gsocht, der in da oltn Bareither Dass dient hot: „Ich trau mi net allans laafn, die Märktischen woll mi knalln, walli doch vo drum a Madla gfrogt hob.“ No hob ich gsogt: „Und die Schlong die net! Do song ma scho dafir!“. Also hammnan hambegleitet. Und drum am Phaushüchala hamm se uns dann halt gstellt. Za vert wor ma gwesn und die annan worn zwansich: Zu diesem Zeitpunkt schaltete sich die Frau des Erzählers ein: „Oh Kunz! As lezta moll wonrs nuch fuchzehn!” Worauf der Erzähler erwiderte: “Bist etzat amoll ruich Luis, Wenni scho su schee dazell! So, also, zwanzich worn se gwesn und da Michl hot an besondern Brass ghabt. „Daalahahn“ hotta gschriea (Anmerkung der Red.: Ein Schimpfname für den Georg), no hob ich zam Gerch gmahnt, „Ballong mußt schreia“ walla doch su fett wor: „Ballong“ hotta nocha a gabläkt und da Michl is gleich ogwalzt kumma, ganz rut im Gsicht. Noja, do hobbi mi halt in Weg neigstellt, gepckt hobbi nan und rechts aufn Misthaufn naufgschmissn. Su senn sa nocheinder Kumma und alle aufn Misthaufn glandet. Jaja, damols worri halt nuch stork und hob halt a vor nix Angst ghabt, acvh ich glaab, ich schnupfat eich heit nuch. Auf jedn Foll Spier ich pletzlich, wie mich aana von hintn am Krong pacvkt. No hobbi da ausghult und dem a drumm Watschn neighaut, obba fu Amol, wie i mich gor rumdreht ghabt hob, worn alla annern fort und an Schandarm sei Mitzla is do beim Eschboch um die Kurn grollert. Noja, bevor da Gendarm widda huchkumma is, binni natirlich a schnell hamgrennt. Am nächstn Toch hamma dann alla Berufsschul ghabt und in da letztn Stund is da Lehra reikumma mit huchrutn Kupf, hott die Noma vo alle Beteiligten, die da Gendarm vor maina Watschn nuch dakannt hot vorglesn und a grußa Standpaukn ghaltn. Drei Mark und Sechzich Pfennig hot dann a jeda zohln missn, wos fei domols an Haufn Geld wor und vo meim Vatta hobi ma a noch aane eigfangt!!! Obba wenni etzt su zarickdenk reiht mich das ganze net amoll, wall der Gendarm a a bleeda Kerl wor!“
Nähere Jahreszahlen, konnten leider nicht ausfindig gemacht werden
Es spricht für die jungen Burschen, dass sie die Tradition pflegen, die sie von ihren Vätern und Großvätern übernommen haben und die unbeeinflusst von den vielfältigen äußeren Erscheinungen unserer modernen Zeit dennoch erhalten bleibt.